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Pablo G. Bartet ist Anwalt mit Schwerpunkt Finanzregulierung und Krypto-Assets und Teil des ATH21-Teams. Dort berät er technologieorientierte Unternehmen, die in einem sicheren Rechtsrahmen Innovationen vorantreiben wollen. Seine Leidenschaft für Kapitalmärkte und Technologie begann bereits in jungen Jahren, als er anfing, an der Börse zu investieren und sich Schritt für Schritt in die Welt von Start-ups und Software einarbeitete.
Er sagt: „Die eigentliche Herausforderung besteht darin, Vorschriften in technische Sprache zu übersetzen und umgekehrt“, und betont, wie wichtig es ist, Lösungen zu entwickeln, die juristische Präzision mit nutzerfreundlichem Design verbinden, um die Verbreitung von Blockchain-Technologie im Finanzbereich zu fördern.
Frage: Was hat Sie dazu bewogen, sich auf Finanzregulierung zu spezialisieren, und woher stammt Ihr Interesse an digitalen Assets?
Antwort: Der finanzielle Aspekt hat mich schon immer persönlich angesprochen. Bereits früh war ich fasziniert vom Investieren und vom Börsenhandel. Im Laufe meiner beruflichen Entwicklung wurde meine Neugier auf die Funktionsweise von Märkten immer größer, was mich dazu motivierte, eine Karriere in diesem Bereich einzuschlagen.
Irgendwann verlagerte ich meinen Fokus auf Start-ups und begann, juristische Beratung in Bereichen zu leisten, die sich sowohl mit Tech-Verträgen und IP-Schutz als auch mit Finanzierungsrunden und Aktionärsvereinbarungen beschäftigen—im Grunde das gesamte unternehmerische Ökosystem.
Und Technologie? Dieser Bereich ist eng mit Innovation verknüpft, weil Start-ups oft technologiebasiert sind und ein natürliches Skalierungspotenzial haben. Meine Begeisterung für Software und aufstrebende Technologien trieb mich dazu, diesen Bereich intensiver zu erkunden.
Um 2017/2018 stieß ich auf ein mir bis dahin unbekanntes Konzept: Smart Contracts. Als Anwalt mit Schwerpunkt Tech-Unternehmen wunderte ich mich, dass mir so etwas Relevantes entgangen war, denn diese „intelligenten Verträge“ verbinden Recht und Technologie auf neuartige Weise. Bei meinen Recherchen wurde mir klar, dass die Blockchain, um voll zu funktionieren, Zugang zu Echtzeitdaten benötigt. Also fing ich an, tiefer zu graben. Meine erste Begegnung war mit Chainlink, einem Oracle-Dienst, der mir eine Welt eröffnete, in der Technologie Code-Fragmente integriert, die traditionelle Rechtsbeziehungen ersetzen können.
Meine erste Reaktion war (halb im Scherz) ein Investment in dieses Protokoll. Danach vertiefte ich mein Wissen. Ich musste einige Vorurteile über den Krypto-Bereich ablegen, um zu erkennen, welches Potenzial diese Technologie für den Finanzsektor hat. So wagte ich den Sprung und hatte das Glück, gemeinsam mit Cristina Carrascosa und einem großartigen Team bei ATH21 zu landen.
F: Ich verstehe, dass sich Ihre Sicht auf Technologie verändert hat…
A: Auf jeden Fall. Anfangs erschien mir die Branche von Hype und auffälligem Marketing bestimmt, wo allein die Nutzung der Technologie zu genügen schien—selbst wenn es kein klares Projekt oder Geschäftsmodell gab.
Doch je mehr man sich damit auseinandersetzt, desto deutlicher wird, dass traditionelle Rechtsbeziehungen—oft durch langsame Prozesse und Bürokratie gebremst—durch diese Technologie grundlegend erneuert werden könnten. Sowohl in Europa als auch international wurde dieses Potenzial erkannt. Das zeigen die vielen neuen Gesetzesinitiativen zu Blockchain, Krypto-Assets, Künstlicher Intelligenz und digitaler Identität. Alles ist miteinander verzahnt.
F: Wie haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen entwickelt, seit Sie angefangen haben?
A: Als ich mit krypto-basierten Geschäftsmodellen startete, gab es kein spezifisches Regelwerk dafür. Viele stützten sich auf Analogien oder Auslegungen lokaler und sogar ausländischer Gesetze. Eine konsolidierte Regulierung existierte schlicht nicht.
Im Laufe der Zeit entstanden dann erste Grenzen zum Schutz der Personen, die mit diesen Assets interagieren. Die ersten rechtlichen Auswirkungen traten zutage—beispielsweise im Bereich Anti-Geldwäsche (AML). In diesem Kontext wurden Dienstleister—etwa jene, die den Tausch zwischen Fiatwährung und Krypto ermöglichen—mit Vorschriften konfrontiert, die sie verpflichteten, Richtlinien zur Risikobewertung von Kunden und Offenlegungspflichten einzuführen.
Heute gibt es in der Europäischen Union ein einheitliches Regelwerk, das sowohl Anbieter von Krypto-Asset-Services als auch Token-Emittenten erfasst. Es schützt Investoren und stellt diese Unternehmen auf eine Stufe mit traditionellen Investmentfirmen und Finanzstrukturen.
F: Auf LinkedIn haben Sie über digitale Transformation im Compliance-Bereich gesprochen. Welche großen Herausforderungen sehen Sie derzeit für Unternehmen?
A: Ich will nicht alle Lorbeeren für mich beanspruchen, aber meiner Meinung nach ist die Regulierung die größte Hürde. Viele unserer Mandanten kommen aus der Technologieentwicklung. Sie sind auf technischer Ebene sehr versiert, merken jedoch schnell, dass sie sich um regulatorische und Compliance-Aspekte kümmern müssen.
Es geht dabei nicht nur um die Übersetzung gesetzlicher Anforderungen in „Tech-Sprache“, sondern auch umgekehrt. Auf diesem Gebiet lässt sich ein gewisser Austausch mit der Aufsichtsbehörde oft kaum vermeiden. Daher ist ein tiefes Verständnis sowohl der Technologie als auch des rechtlichen Umfelds unverzichtbar. Die Kernfrage ist, wie man Compliance und die Fähigkeit, Technologie an die passenden gesetzlichen Vorgaben anzupassen, unter einen Hut bekommt.
F: MiCA (Markets in Crypto-Assets Regulation) ist in Europa wohl ein Wendepunkt. Was sind die wichtigsten Herausforderungen und Chancen?
A: MiCAs primäres Ziel ist es, Investoren zu schützen und einen neuen, technologiegetriebenen Markt zu stabilisieren, der für Betrug, technische Pannen oder Fehlentscheidungen anfällig sein kann. Durch die Regulierung dieses Bereichs möchte MiCA Nutzern mehr Sicherheit bieten.
Diese Schutzmechanismen können jedoch auch Reibungen erzeugen. Zwar stärkt eine regulierte Umgebung das Vertrauen der Anleger und erhöht langfristig die Nachfrage, gleichzeitig kann es aber die Konversionsraten senken. Nutzer, die sich früher mit wenigen Klicks angemeldet haben, sehen sich jetzt mit umfangreicheren Formularen und komplexeren Rechtsklauseln konfrontiert. Die Herausforderung für Plattformen liegt darin, klar und verständlich zu informieren und sich auf spezialisierte Rechtsberatung zu stützen, um diese Hürden zu minimieren, ohne an Sicherheit einzubüßen.
F: Glauben Sie, dass Regulierung wie MiCA mehr Privatanleger in digitale Assets locken wird?
A: Ja, definitiv. Wenn man Aktivitäten in einem zentralisierten Umfeld bündeln möchte, muss man den Anlegern Respekt entgegenbringen und seine Versprechen einhalten. Aus persönlicher Sicht ist die Auseinandersetzung mit Krypto ohne einen soliden Rechtsrahmen nicht sonderlich beruhigend—zumal nur wenige Menschen selbst den zugrundeliegenden Code prüfen können. Ein regulatorisches Fundament gibt Privatanlegern das Gefühl von Sicherheit, besonders weil die meisten gar nicht wissen, was hinter den Kulissen einer Krypto-Plattform passiert.
Allerdings müssen Plattformen attraktive, regelkonforme Produkte entwickeln, um dieses Potenzial wirklich auszuschöpfen.
F: Wie wird sich MiCA Ihrer Meinung nach auf KYC- und AML-Prozesse auswirken?
A: MiCA erhöht die Sicherheit, indem sichergestellt wird, dass nur diejenigen investieren, die tatsächlich qualifiziert sind. In Kombination mit anderen Richtlinien, zum Beispiel im Bereich AML, stärkt das die Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung.
Die meisten Krypto-Dienstleister in EU-Ländern unterlagen zwar schon AML-Vorgaben, aber MiCA legt noch zusätzliche Anforderungen drauf. Das dürfte die Nutzerfreundlichkeit tendenziell einschränken. Wir werden sehen, wie zwischen dem Schutz der Anleger und einem möglichst reibungslosen Nutzererlebnis abgewogen wird.
F: KI, Machine Learning … wie können sie KYC und AML beeinflussen?
A: Momentan werden unterschiedliche Regelungen—MiCA, KI, digitale Identität, Zahlungsdienste usw.—oft isoliert betrachtet. In der Praxis werden sich diese Technologien jedoch vereinen und den Finanzsektor grundlegend transformieren. Insbesondere die digitale Identität kann durch KI-Agenten deutlich verbessert werden, wie diverse Projekte gezeigt haben. Im Kryptobereich spricht man bereits von „DeFAI“, wo Agenten Aufgaben eigenständig oder reaktiv automatisieren können. Das ist ein gewaltiger Schritt nach vorn, insbesondere für das Wallet-Management und die Interaktion von Nutzern in selbstverwalteten Systemen, einschließlich der Identitätsprüfung.
Für die Zukunft denke ich, dass Unternehmen wie Didit sich vollständig in diese Entwicklung einbringen. Das übergeordnete Ziel ist, sämtliche Finanztransaktionen über das Smartphone zugänglich zu machen. Die Verschmelzung von digitaler Identität, DLT-basierten Märkten und KI wird maßgeblich beeinflussen, wie leicht oder schwierig Finanzdienstleistungen für alle zugänglich sind.
F: Welche unverzichtbaren Maßnahmen braucht ein AML-System, das sicher und robust ist?
A: Entscheidend ist, die Vorgaben der zuständigen Aufsichtsbehörden zu befolgen, zum Beispiel in Spanien SEPBLAC, in Abstimmung mit der spanischen Zentralbank und der CNMV. Wichtig ist zudem Skalierbarkeit: Immer mehr Unternehmen suchen nach interoperablen Lösungen, damit Nutzer nicht bei jeder Plattform erneut den KYC-Prozess durchlaufen müssen.
Digitale Identitäts-Wallets, vor allem solche, die auf dezentralen Strukturen basieren, sind hier sehr effektiv. Mit Zero-Knowledge-Proofs lässt sich die Privatsphäre deutlich verbessern, während Nutzer verschiedene Services mit nur einer einmaligen Verifizierung nutzen können. Ich halte diese Kombination für den Königsweg, und Projekte wie Didit zeigen bereits, wie gut das funktionieren kann.
F: Welche Strategien empfehlen Sie, damit Unternehmen technische Lösungen integrieren können, ohne die regulatorische Compliance zu vernachlässigen?
A: In unserer Kanzlei hat Cristina (Carrascosa) das Konzept „Legal by Design“ geprägt, das wir manchmal auch „Legal Hacking“ nennen. Letztlich ist reines Rechtswissen das Fundament jedes Anwalts. Was wirklich zählt, ist die Fähigkeit, mit umfassender Erfahrung rechtliche Strategien zu entwerfen, die Reibungsverluste minimieren und Unternehmen Wachstum ermöglichen—und das bei voller Einhaltung der Vorschriften.
F: Compliance ändert sich besonders im Krypto-Bereich rasant. Welche Kompetenzen und Kenntnisse sollten Fachleute mitbringen, wenn sie hier erfolgreich sein wollen?
A: Neben einer soliden Ausbildung und praktischer Erfahrung muss man begreifen, dass man sich auf unsicherem Terrain bewegt, in dem es nicht immer eindeutige Gewissheiten gibt. Zwar gab es anfangs keine spezifische Regulierung für den Kryptosektor, aber das bedeutete nie, dass man grundlegende rechtliche Prinzipien außer Acht lassen konnte—etwa die Gestaltung von Verträgen oder wesentliche Bedingungen in der Beziehung zwischen Nutzer und Unternehmen.
Fachleute müssen traditionelle Rechtskenntnisse—manchmal basierend auf recht alten Konzepten—mit neuen, dynamischen Regelwerken kombinieren. Man muss sich also in beiden Welten bewegen und darauf vertrauen können, sowohl das Recht als auch die Technologie ausreichend zu beherrschen, um praktikable Lösungen zu finden.
F: Sind die heutigen Vorschriften zur Risikoprävention Ihrer Meinung nach stabil genug? Und wie könnte man sie verbessern?
A: Ich würde sagen, sie sind solide genug. Europa hat im Fintech-Bereich eine Vorreiterrolle übernommen und bietet ein hohes Maß an Stabilität und Planbarkeit. Oft heißt es, Asien oder die USA treiben Innovation, während Europa lieber reguliert. Dennoch ist dieser Ansatz gerade für große Unternehmen sehr attraktiv. Stellen Sie sich vor, Sie gründen ein Tech-Unternehmen in einer Region ohne Regulierungsrahmen und sind dann völlig unberechenbaren Behördenentscheidungen ausgeliefert—so ähnlich kann es in den USA mit der SEC laufen, wo man heute compliant ist und morgen eine hohe Geldstrafe kassiert.
Daher besteht ein Spannungsfeld zwischen einem stabilen Regelwerk—selbst wenn es nicht alle zufriedenstellt—und der Unsicherheit einer "Regulierung durch Vollstreckung“. Meiner Einschätzung nach hat sich das europäische Modell im Fintech-Umfeld bewährt, auch wenn es bei einigen Themen wie Stablecoins oder tokenisierten Zahlungsmethoden noch Verbesserungsbedarf gibt.
Aktuell richtet sich viel Aufmerksamkeit auf DeFi, wo die Verknüpfung von digitaler Identität, KI und dem Krypto-Finanzsystem enorme Vorteile bringen kann. Es macht wenig Sinn, diesen Bereich auszugrenzen, vor allem wenn die passenden Werkzeuge fehlen. Wichtig ist, zu verhindern, dass Regulierung zu einem „Frankenstein“ wird, der Innovation abwürgt.
F: Wenn Sie an die Zukunft denken – welche Trends im Compliance-Bereich erwarten Sie für Krypto und Fintech?
A: Ich sehe dabei vor allem folgende Entwicklungen:
Didit Nachrichten